Was sind Leistungsgruppen?
Ein zentraler Baustein der Krankenhausreform sind die Leistungsgruppen. Künftig sollen sie die Fachabteilungsstruktur ersetzen und eine zielgenauere Krankenhausplanung ermöglichen. Sie werden den Krankenhäusern von den Planungsbehörden zugewiesen. Durch die Leistungsgruppen werden die einzelnen Leistungen enger gefasst und genauer definiert. Das Ziel: Die einzelnen Krankenhäuser sollen untereinander vergleichbarer sein. Erhält ein Krankenhaus die Anerkennung für eine Leistungsgruppe, bedeutet das, dass es diese Leistung in einer bestimmten Qualität ausführt.
Die Einteilung in Leistungsgruppen soll sicherstellen, dass Patienten nur dort behandelt werden, wo auch die technischen und personellen Voraussetzungen gegeben sind. Künftig soll nicht mehr jede Behandlung in jedem Krankenhaus, sondern in speziell darauf ausgerichteten Zentren durchgeführt werden. Besonders komplexe Operationen und Behandlungen werden sich an dafür geeigneten Krankenhäusern konzentrieren.
Durch die Häufigkeit der Eingriffe erhält das dort tätige medizinische Personal noch mehr Routine, was die Qualität weiter verbessert. Auf diese Weise soll eine Patientengefährdung durch unzureichende Versorgung verringert beziehungsweise ausgeschlossen und eine stärkere Qualifizierung gesichert werden.
Die Leistungsgruppen werden bundeseinheitlich definiert. Ursprünglich sollten sie als Grundlage und Vorbedingung dazu dienen, um darauf aufbauend im zweiten Schritt die Versorgungsstufen/ Level zuzuordnen. Da sich Bund und Länder jedoch nicht einigen konnten, werden die Versorgungsstufen nun aller Voraussicht nach nicht offiziell in den Ländern geführt werden; wohl aber will Lauterbach sie für seine Transparenzoffensive verwenden. Dazu später mehr.
Bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben für Leistungsgruppen
Noch steht nicht ganz fest, wie die Leistungsgruppen sich konkret ausgestalten. Sie werden durch den gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) definiert und dann von den Planungsbehörden zugewiesen. Der gemeinsame Bundesausschuss hat mit der Notfallstufenregelung bereits eine gute Vorlage für bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben geschaffen. Aller Voraussicht nach sollen sich die Leistungsgruppen deshalb nach NRW-Vorbild richten. Die Kriterien der Leistungsgruppen sind die Voraussetzung dafür, dass Krankenhäuser ihre Leistungen mit den Krankenkassen abrechnen dürfen.
Bundeseinheitliche Leistungsgruppen sollen demnächst die Basis für eine gemeinsame Krankenhausplanungssprache bilden. Vergleichbarkeit und Durchsichtigkeit ist das übergeordnete Ziel, denn bisher stand jedes Krankenhaus für sich.
Im nächsten Schritt soll dann die Vorhaltefinanzierung festgelegt werden. Dies geschieht in Eigenverantwortung. Der Staat gibt zwar die gesetzlichen Rahmenbedingungen vor, aber die Träger des Gesundheitswesens organisieren sich selbst und verantworten die Ausgestaltung des Vergütungssystems. Daher ist es wichtig, dass die Selbstverwaltung neben Bund und Ländern in die Entwicklung der Krankenhausreform mit eingebunden wird. Mit an den Tisch gehören außerdem der G-BA (gemeinsamer Bundesausschuss) und die Krankenkassen (steuern die Versorgung von über 73 Millionen Versicherten) sowie natürlich die Krankenhäuser. Die diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) sollen abgesenkt werden. Zudem sollen die Pflegepersonalkosten aus diesem Satz herausgenommen werden (aDRG). Auf diese Weise soll die Vorhaltepauschale entstehen.
Maßgeblich für die Höhe des Vorhaltebudgets ist die bedarfsbezogene Zuweisung der Leistungsgruppen an die Krankenhäuser durch das Land. Interessant: Zuerst soll das Vorhaltebudget der Krankenhäuser zwar noch auf Basis der Fallzahlen übermittelt werden, sobald die Leistungsgruppen aber zugewiesen sind, soll das Vorhaltebudget unabhängig von der Zahl der Fälle ermittelt werden. Das bedeutet, dass die Fallzahlen und das Vorhaltebudget jeweils eigenständig fungieren. Es wird noch eine Differenzierung des Vorhalteanteils nach Schweregraden und Leistungsmengen geprüft. Eine starre Verknüpfung an Fallzahlen wird jedoch ausgeschlossen.
Welche Leistungsgruppen gibt es?
Beim Bund-Länder-treffen am 29. Juni gab es noch offene Fragen zu den Leistungsgruppen. Die endgültige Ausgestaltung wird noch beraten. Fest steht bisher: Bund und Länder wollen sich am System Nordrhein-Westfalens orientieren. Dort existieren Leistungsgruppen bereits mit Ausnahme einer Leistungsgruppe für die Notfallmedizin. Die deutsche Gesellschaft für interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) fordert deshalb Bund und Länder auf, diese noch zu ergänzen.
99,16 Prozent aller stationären Fälle konnten über alle Bundesländer hinweg den Leistungsgruppen zugeordnet werden. Die Firmen Oberender und BinDoc bezogen sich für die Auswertung auf das Jahr 2021. NRW-Gesundheitsminister Karl Laumann (CDU) ist überzeugt von dem Leistungsgruppen System . Aktuell könnten 1301 der bundesweit 1719 Krankenhausstandorte die Leistungsgruppen „Allgemeine Innere Medizin“ und „Allgemeine Chirurgie“ erfüllen. Weitere 772 Standorte könnten auch andere Leistungsgruppen erfüllen, wie zum Beispiel die „Interventionelle Kardiologie“. Dann wird es zur Spitze hin deutlich dünner. Die Spezialgebiete „Komplexe Endokrinologie und Diabetologie“ können z.B. nur noch 41 Kliniken erbringen. Aktuell gibt es in NRW 60 Leistungsgruppen . Diese sollen um mindestens drei Gruppen ergänzt werden: Allgemeine Kardiologie“, „Komplexe Endokrinologie“ und „Neuropädiatrie“. Im Gespräch ist außerdem eine Leistungsgruppe für Notfallmedizin.
Wie sollen die Leistungsgruppen eingeführt werden?
Die Einteilung in und Zuerkennung von Leistungsgruppen wird nach und nach geschehen. Es gibt eine Übergangszeit, in der teilweise auch noch Ausnahmeregelungen gelten. Die Leistungsgruppen bilden später die Grundlage für die Vorhaltepauschale. Krankenhäuser benötigen dann anerkannte Leistungsgruppen, um ihre Leistungen mit den Kassen abrechnen zu dürfen. Nach einer mehrjährigen Übergangsphase sollen 60 Prozent der Betriebskosten über die Vorhaltepauschale gedeckt werden und 40% über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG).
Einen Wechsel wird es außerdem bei den Pflegepersonalkosten geben: Sie sind zukünftig nicht mehr in der Fallpauschale enthalten, sondern in der Vorhaltefinanzierung.
Zeitlich befristete Ausnahmen
Während des Übergangs können im Einzelfall auch Sonderregelungen in Kraft treten: Ist die Versorgung in der Fläche gefährdet, können bedarfsnotwendige Leistungen auch Kliniken zugewiesen werden, die nicht alle Vorgaben der Leistungsgruppe erfüllen. Diese Ausnahme soll allerdings zeitlich befristet sein.
Versorgungsstufen/ Level
Ursprünglich war angedacht und von Lauterbach gewünscht, Kliniken auf Basis ihrer Leistungen in Versorgungsstufen oder Level einzuteilen. Aufgeteilt werden sollte in:
Level 1n: Notfallversorgende Basisversorger
Level 1i: Integrierte ambulant/stationäre Einrichtungen, die auch pflegerisch geleitet werden können
Level 2: Regel – und Schwerpunktversorger
Level 3: Maximalversorger
Level 3U: Universitätskliniken
Bei den drei geplanten Versorgungsstufen ist jedoch kein Konsens erzielt worden. Sie werden deshalb nach aktueller Informationslage (Stand 09/2023) nicht kommen - jedenfalls nicht in dieser Form. Hier haben sich die Bundesländer durchgesetzt, die dieser Änderung von Anfang an kritisch gegenüberstanden. Der Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und die Hamburger Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer wollen sich ihre jeweilige Krankenhausplanung nicht aus der Hand nehmen lassen und lehnen eine Einteilung nach Versorgungsstufen ab.
Diese Versorgungsstufen/Level sollten ursprünglich offen geführt werden und zusätzlich auf einer Übersichtskarte (Transparenzoffensive) und auch in der Öffentlichkeit Orientierung bieten. Die Länder torpedierten diesen Plan jedoch, da sie eine Benachteiligung und daraus folgende geringe Auslastung der Krankenhäuser befürchteten. Öffentlich führen werden die Krankenhäuser die Level also nicht. Die Übersicht in Form einer Transparenzkarte kommt jedoch, diese wollte Lauterbach sich nicht nehmen lassen.
Transparenzübersicht
Obwohl bei den Versorgungsstufen keine Einigung zu erzielen war, will das Bundesgesundheitsministerium nun die Stufen nicht ganz fallen lassen, sondern für eigene Zwecke einsetzen . Die Transparenzübersicht wird, wie bereits angekündigt kommen, wenn auch in anderer Form. Es ist eine Art Landkarte, anhand der sich Patienten orientieren können. Die Transparenzübersicht soll eine Art Landkarte sein, in der alle Krankenhäuser Deutschlands nach Leistung, Ausstattung und eben auch Versorgungsstufe gelistet und für den Verbraucher leicht zu finden sind. Sie soll anzeigen, welche Klinik welche Leistungsstufen anbietet und sie danach auch in Level einteilen, selbst wenn die Bundesländer diese Stufen nicht verwenden. Die rechtliche Grundlage zur Verwendung dieser Daten besteht.
Fazit:
Es tut sich einiges. Die Vorhaltepauschale wird die Fallpauschale zu einem Großteil ablösen. Basieren wird sie auf den Leistungen, die ein Krankenhaus in der Lage ist, vorzuhalten, also ständig und rund um die Uhr zur Verfügung zu stellen. Entsprechen diese den allgemein definierten Qualitätskriterien, darf das Krankenhaus diese Leistungen mit den Kassen abrechnen. Die Neuaufteilung soll den wirtschaftlichen Druck von den Krankenhäusern nehmen – wenigstens zum Teil. Die einheitlich definierten Leistungsgruppen versprechen dabei Orientierung und Vergleichbarkeit – eines der großen Ziele, das sich Karl Lauterbach im Rahmen der Krankenhausreform auf die Fahnen geschrieben hat. Die Transparenzoffensive soll in einer Übersicht jedes Krankenhaus mit Leistungsgruppen und Versorgungslevel listen und so Patienten, Ärzten und der Öffentlichkeit eine größtmögliche Orientierung bieten.
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