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11.07.2023

Team medpool

Lesedauer: 7 min

Lauterbachs Krankenhausreform

Mehr als die Hälfte der Krankenhäuser in Deutschland schreiben rote Zahlen. Um die finanzielle Schieflage zu beheben, plant Karl Lauterbach nun eine Krankenhausreform, die die Krankenhauslandschaft reformieren soll. Der Bund will zukünftig nur noch Qualität bezahlen, die wirklich da ist und das System durchsichtiger und vergleichbar machen. Dazu sollen Kliniken in drei Level eingeteilt werden, von einer Grundversorgung hin zum Maximalversorger. Es wird also einigen Wirbel in der Krankenhauslandschaft geben.
Für die Zeitarbeit ist das insofern spannend, als sich die Verteilung der Arbeitskräfte noch einmal verschieben dürfte. Der Bedarf an Pflegekräften bleibt unverändert hoch. Selbst wenn einzelne Kliniken schließen, werden mehr Pflegende gebraucht, als verfügbar sind.
Mögliche Folgen einer Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft sind längere Wege zu den großen Level 3 Maximalversorgern. Außerdem spielt die soziale Komponente eine wichtige Rolle: Pflegekräfte sind häufig sehr eng an ihr Team gebunden. Fällt dieses weg, etwa weil das Krankenhaus geschlossen wird, kann es durchaus sein, dass jemand sich nicht nach einer neuen Stelle im Pflegesystem umsieht, sondern gleich komplett die Branche wechselt. Aktuelle Studien sehen eine große Abwanderungstendenz in andere Berufe. Die Zeitarbeit dürfte in diesem Fall einen Zuwachs verzeichnen, wenn die Bindung ans Team nicht mehr besteht. Wir schauen uns das Ganze einmal näher an:

1. Was ist die Krankenhausreform?
2. Wie kam es dazu?
3. Was sagt die Krankenhausreform aus?
4. Pflegegeleitete Level 1i-Krankenhäuser
5. Was bedeutet die Reform für die Zeitarbeit?
6. Was sind Kritikpunkte?
7. Wie wird es weitergehen?

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Was ist die Krankenhausreform

Die Krankenhausreform ist ein Modell, das Kliniken nach Leistungsgrad in Level einteilt. Je umfassender die Versorgung ist, die Kliniken anbieten können, desto mehr Mittel erhalten sie. Insgesamt soll es 128 Leistungsgruppen geben und 3 Level. Geplant ist eine Landkarte, die zukünftig die Qualifikationen und Level jeder Klinik ausweist und nach der die Bürger sich richten können, wenn sie eine Klinik suchen. Die Patienten sollen sich auf die guten Häuser konzentrieren. Diese bekommen so mehr Patienten und auch mehr Geld.

Eine Expertenkommission der Regierung soll die Häuser bewerten und nach Leveln einteilen.
Die Krankenhausreform soll zu einer Abkehr vom Fallpauschalen-Prinzip führen und die Krankenhäuser von wirtschaftlichem Druck befreien.
Damit aus dem theoretischen Vorschlag Lauterbachs irgendwann ein Gesetz wird, müssen die Länder zustimmen. Bundesrat und Bundestag müssen sie letztendlich absegnen. Aktuell regt sich Widerstand, da die Länder sich die Krankenhausverwaltung nicht aus der Hand nehmen lassen wollen.

Wir merken uns:

  • Neuigkeit 1: Bund bezahlt nur noch die Qualität, die da ist
  • Neuigkeit 2: Landkarte: Welche Klinik hat welche Leistungsgruppen und welche hat Defizite?

Wie kam es zu der Krankenhausreform?

Die Krankenhausreform soll Missstände im Gesundheitssystem auffangen. Es soll in Zukunft weniger um Ökonomie und wieder mehr um die medizinische Versorgung gehen.
Das war in den vergangenen Jahren ein Problem. Durch die Fallpauschale wurden häufig Operationen und andere Dinge durchgeführt, die sich rechneten. Zudem haben die Krankenhäuser zum Teil Behandlungen übernommen, ohne die entsprechenden Kapazitäten dafür zu haben. Beispielsweise wurden Schlaganfallpatienten behandelt ohne eine Stroke Unit zu haben.
Das hatte den Hintergrund, dass einerseits die Fallpauschalen erfüllt werden mussten und andererseits in den von den Landeskrankenhausplanungsbehörden zugewiesenen Fachabteilungen alles gemacht werden durfte.
Lauterbach will nun die Finanzierung, Organisation und Leistungsspektren der Krankenhäuser in Deutschland grundlegend reformieren. Im Dezember 2022 machte eine Expertenkommission ausführliche Vorschläge für eine Krankenhausreform. Die Reform schlägt Änderungen bei der Abrechnung von medizinischen Leistungen vor: es soll eine Abkehr vom Fallpauschalen-Prinzip und zugleich eine stärkere Spezialisierung der Krankenhäuser stattfinden. Das Ziel: Wieder stärkere Konzentration auf medizinische Entscheidungen und landesweite Vergleichbarkeit der Häuser.
Lauterbach betont: „Die Politik hat bei der Krankenhauspolitik versagt, nicht die Pflegekräfte und nicht die Ärzte. Wir brauchen eine deutlich bessere Qualität, das muss im Vordergrund der Reform stehen. Daher werden wir auch keine Zugeständnisse bei der Qualität machen.“

Den Kritikpunkt, dass kleinere Häuser auf dem Land dann schließen müssten und so die Grundversorgung der Landbevölkerung gefährdet sei, versteht er1 nicht, denn sie bekämen unabhängig von Fällen 60 Prozent des Geldes als Existenzgarantie wenn sie benötigt werden. Müssten sie sich über Fälle finanzieren, würden sie nicht überleben können.

Was sagt die Krankenhausreform aus?

Die Krankenhausreform will die Qualität der Versorgung steigern. Das Konzept der Klinikreform sieht daher einheitliche Krankenhauslevels vor, damit die Leistungen transparenter und vergleichbar werden: Level 1 für die Grundversorgung, Level 2 für die Schwerpunktversorgung mit bestimmten Spezialisierungen und Level 3 für die Spitzenversorgung etwa an Unikliniken.
Außerdem sollen den Krankenhäusern 128 Leistungsgruppen zugeteilt werden. Statt „Innere Medizin“ würde einem Krankenhaus dann z.B. spezifischer die „Kardiologie“ zugeteilt werden. Zu guter Letzt sollen sich die Betriebskosten zukünftig aus einer leistungsabhängigen Fallpauschale und einer Vorhaltepauschale decken.

Wir halten fest:

  • 3 Krankenhaus- Level
  • 128 Leistungsgruppen
  • Fallpauschale und Vorhaltepauschale

Die Reform soll die Ökonomisierung des Gesundheitssystems beenden 2 und stattdessen medizinischen Entscheidungen wieder mehr Gewicht verleihen. Es soll also weniger auf Profit und wieder mehr auf wirklich nötige Behandlungen gelegt werden. Es besteht die Gefahr, dass die Krankenhäuser kollabieren und das bereits im nächsten Jahr, so Lauterbach. Daher sei die Reform „längst überfällig“.

Und so stellt sich die Kommission die Umsetzung vor:

Bei einer Staffelung der Versorgung in Leveln ist eine enge Vernetzung der Krankenhäuser unabdingbar. Level 1-Krankenhäuser sollen in Bezug auf die Ärzteausbildung mit Level 3-Krankenhäusern kooperieren. Teile der Ausbildung könnten an unterschiedlichen Standorten erbracht werden. Künftig sollen Behandlungen nur noch abgerechnet werden können, wenn dem Krankenhaus die entsprechende Leistungsgruppe zugeteilt wurde.
Es soll also zukünftig einheitliche Versorgungsstufen geben. „Die Krankenhausstrukturen in Deutschland sind historisch gewachsen und regional verschieden“, heißt es zur Erklärung in der Stellungnahme „Grundlegende Reform der Krankenhausvergütung“. „Jedes Krankenhaus hält unterschiedliche Fachabteilungen und Leistungen vor, die keiner genauen Definition und nur teilweise Mindestanforderungen unterliegen.“3

Das sind die Stufen:

  • Level 1: Grundversorgung
  • Level 2: Regel und Schwerpunktversorgung
  • Level 3: Spitzenversorgung

Level 1 teilt sich nochmal auf in:

  • Level 1n: Häuser, die die Notfallversorgung sicherstellen
  • Level 1i: Sektorenübergreifende Versorgung

Für jedes Level sollen Mindestvoraussetzungen festgelegt werden. Diese sollen die mindestens erforderliche Strukturqualität sichern, um auf diese Weise eine hochwertige stationäre und sektorenübergreifende Versorgung zu ermöglichen. Außerdem werden die Häuser in ihren Leistungen auf diese Weise besser vergleichbar. Deshalb ist es wichtig, eine einheitliche Qualitätsstruktur einzuführen. „Krankenhäuser dürfen die Leistungen nur noch erbringen, wenn sie bestimmte Strukturqualitäten erfüllen“, betonte Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) und Mitglied der Regierungskommission.

Pflegegeleitete Level 1i-Krankenhäuser?

Zwischenzeitlich wurde der Vorschlag diskutiert, Level 1i-Krankenhäuser von qualifizierten Fachpersonen leiten zu lassen. Dieser Vorschlag stieß jedoch auf heftige Gegenwehr. „Wir stellen uns vor, dass in Level 1i-Häusern akutpflegerische Leistungen mit Akutpflegebetten vorgehalten werden“, erklärte Christian Karagiannidis. „Diese Einrichtungen sollen auch von qualifizierten Fachpersonen geleitet werden können:“ Niedergelassene Ärzte und Ärztinnen aus der Umgebung hätten die Möglichkeit, hier Betten zu belegen. Ihre Leistungen sollen nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgerechnet werden. „Diese Einrichtungen könnten aber auch Ärztinnen und Ärzte anstellen“, so Karagiannis.
Er schlägt vor, dass diese Häuser über Telemedizin mit größeren Häusern verbunden sein könnten.
Alle drei Krankenhauslevel dürfen die Grundversorgung übernehmen sowie kleinere chirurgische Eingriffe und die innere Medizin machen. Geburtshilfe z. Beispiel dürften dann Level 2 und 3 Häuser übernehmen. Wir sehen also, die Vergabe der Leistungsgruppen ist stark an das Level gebunden. Das bedeutet, wenn das Krankenhaus nicht das entsprechende Level hat, können Spezialisierungen beispielsweise nicht mehr angeboten werden.

Was bedeutet die Krankenhausreform für die Zeitarbeit?

Werden Krankenhäuser demnächst nach Qualifikationen in Level eingeteilt, bedeutet das auch, dass auf Dauer kleinere Krankenhäuser, die zu den Grundversorgern zählen, stark heruntergefahren werden oder gar ganz verschwinden. Größere Häuser können dagegen einen Zulauf verzeichnen. Das hat Einfluss auf die personelle Besetzung. Man darf erwarten, dass sich Kompetenzzentren mit viel Personal herausbilden werden, während die flächendeckende Versorgung zurückgefahren wird. Die Nachfrage an Pflegekräften wird sich dementsprechend verhalten. Sie werden nach wie vor stark angefragt sein, allerdings dürften sich die Arbeitswege verlängern, da sich nicht in jedem Ort ein größeres Haus befindet, das demzufolge auch viel Personal beschäftigt.
Ein weiterer Effekt dürfte in der Bindung zu den Krankenhäusern bestehen. Viele Pflegekräfte sind ihrem Team gegenüber sehr loyal. Auch wenn sie schon länger unter den Missständen im Gesundheitssystem leiden, haben sie bislang nicht gekündigt, da sie ihr Team nicht im Stich lassen wollen. Fällt dieses Team nun jedoch zwangsläufig weg, da das ganze Krankenhaus geschlossen wird, besteht diese Bindung nicht mehr. Die Folge. Manche werden sich nach anderen Jobs außerhalb des Gesundheitssystems umsehen. Dies belegen auch aktuelle Studien, die ebenfalls eine starke Frustration und Ausstiegstendenz („Pflexit“) verzeichnen. Eine weitere Möglichkeit ist die, dass Pflegende zwar im Gesundheitssystem bleiben, aber in die Zeitarbeit wechseln, da sie dort bessere Arbeitsbedingungen erwarten. Zeitarbeit dürfte in Zukunft also weiter an Bedeutung gewinnen, da ihr eine immer wichtigere Rolle zukommt, wenn es darum geht, Löcher im Pflegesystem zu stopfen und Notfälle aufzufangen. Die Nachfrage dürfte in den kommenden Jahren weiter steigen.

Was sind Kritikpunkte?

Auf der kürzlichen Tagung der Krankenhausgesellschaft in Düsseldorf stellte sich deutlich heraus: Die Krankenhäuser in NRW sind bislang nicht überzeugt. Dass die Leistungspauschalen überarbeitet werden, sei ok, aber grundsätzliche Probleme, wie zum Beispiel Überlastung, blieben dennoch. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sagte dem WDR sogar deutlich, er werde sich mit Sicherheit nicht an einem Krankenhausschließungsprogramm beteiligen. Aus NRW gibt es schonmal keine Zustimmung.
Verdi kritisiert, dass auch der Bedarf der Patienten an wohnortnaher Versorgung berücksichtigt werden muss. Ein weiterer Kritikpunkt ist der, dass Bewertungsrelationen für Pflegetätigkeiten eingeführt werden sollen, um so die Kosten abzubilden. Diese würden die Ökonomisierung jedoch eher voranreiben als ablösen, weil sie die Kosten des Pflegepersonals in den Fokus rückt.
Auch aus anderen Bundesländern kommt Kritik: Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher4 kritisiert die Krankenhausreform: Die Leistungsgruppen orientieren sich oftmals an hohen Fallzahlen, doch in einer Kleinstadt könne man keine Zahlen, wie in Metropolen generieren. Zudem hält sie die geplante Einteilung der Kliniken in Kategorien für überflüssig und schädlich.
Die geplante Wegweiser-Karte steht ebenfalls in der Kritik: Sie könne sich extrem rufschädigend auf einzelne Kliniken auswirken. Lauterbach hält es dagegen für sehr problematisch, dem Bürger entsprechende Daten nicht zugänglich zu machen, nur weil sich eine Klinik dann eventuell nicht mehr füllt.

Wie wird es weitergehen?

Bislang steht die endgültige Einigung der Länder noch aus. Bundesgesundheitsminister Lauterbach (SPD) steckt viel Kritik für seine geplante Reform ein, zuletzt bei der Eröffnung des Deutschen Ärztetages. Sie müssen der Reform im Bundesrat zustimmen. Es gibt Gegenwind von allen Seiten, denn die Bundesländer wollen sich die Krankenhausplanung nicht aus der Hand nehmen lassen und prüfen sogar die Verfassungsmäßigkeit der Reform. Vor allem Nordrhein-Westfalen und Bayern sind nicht begeistert von den geplanten Änderungen.
Ursprünglich sollten zu Beginn der Sommerpause gemeinsame Eckpunkte vorgelegt werden. Am 29. Juni berieten Bund und Länder über die Pläne, doch es kam zu keiner Einigung. Bevor die große Reform verabschiedet wird, wollen die Länder erst einmal eine kleine Reform, ein sogenanntes Vorschaltgesetz. Es soll Geld für die Kliniken bereitgestellt werden, um einen kalten Strukturwandel zu vermeiden.
Karl Lauterbach erwartet nun eine Einigung bis zum 10. Juli 2023. Dann soll über den Sommer ein Gesetzesentwurf erarbeitet werden, damit die Reform pünktlich Anfang 2024 fertig ist.

Bildnachweis: © Adobe Stock / itataekeerati / 117496314

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