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Missstände in der Pflege und Verbesserungsvorschläge

01.11.2023

Romina A.

Lesedauer: 5 min

Missstände in der Pflege und Verbesserungsvorschläge

Hallo, ich bin Romina A. und examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin. Meinen Beruf liebe ich vom ersten Tag an. Auch wenn es zwischendurch natürlich stressig ist, kann ich doch immer noch sagen, dass ich genau das Richtige für mich gefunden habe und nichts anderes machen möchte. Der Kontakt mit Menschen und die Möglichkeit, ihnen helfen zu können ist für mich jeden Tag aufs Neue eine Bestätigung, an der richtigen Stelle zu sein. Im Pflegealltag sind mir ein paar Dinge aufgefallen, die ich gerne einmal ansprechen würde, denn es ging so leicht auch anders. Ich finde es ganz wichtig, diese Dinge zu erwähnen, denn nur so kann sich etwas ändern. Und am Ende wollen wir doch alle, dass es funktioniert:

Verantwortung dem Team gegenüber

„Ich bin ja sowieso morgen wieder weg“
Diesen Satz habe ich tatsächlich schon mehrfach gehört und mir stellen sich jedes Mal die Nackenhaare auf. Natürlich betrifft es einen nicht mehr, was morgen ist, wenn man nur einen Tag irgendwo arbeitet, es ist einfach nicht sozial dem Team gegenüber. Es kommt aber leider tatsächlich immer wieder vor, dass Kollegen genau ihren Job machen. Sind sie mit ihren Aufgaben durch, kann rechts und links von ihnen die Welt untergehen. Diese Einstellung findet man allerdings bei Zeitarbeitern und Mitarbeitern aus dem Stammteam gleichermaßen. Teilweise hängt es sicher auch mit Frust zusammen, dass man irgendwann entscheidet, nur noch Dienst nach Vorschrift zu machen.
Wenn ich noch Zeit habe, räume ich meistens auf oder schaue, was ich noch machen kann, denn ich finde das eigentlich selbstverständlich. Viele meiner Kollegen machen das auch, einfach um sich gegenseitig zu helfen. Wichtig ist vor allem, dass es funktioniert und solange wir da sind, kann man auch alles machen. Da bricht man sich doch keinen Zacken aus der Krone. Das habe ich aber immer schon so gehandhabt und mache das jetzt in der Zeitarbeit ganz genauso.

Vorschlag: Egal, ob als Mitglied des Stammteams oder als Zeitarbeiter, der nur kurzfristig dabei ist, sollte man immer schauen, seine gesamte Dienstzeit sinnvoll zu nutzen. Sind hinterher noch fünf oder zehn Minuten Zeit, ist es zum Beispiel nett noch schnell etwas aufräumen oder eine andere kleine Sache erledigen. Das muss dann schonmal nicht mehr von den Kollegen gemacht werden. Wenn sich jeder einfach aufmerksam verhält, erleichtern wir uns alle gegenseitig die Arbeit und es kommt ja auch zurück. Ich selbst muss dann eventuell auch eine Sache nicht mehr aufräumen, weil das schon jemand anders erledigt hat. Ich finde das so wichtig. Ich würde außerdem immer empfehlen, die Kollegen zu fragen, ob es noch etwas zu tun gibt.

Verständigungsprobleme auf der Station

Verständigungsprobleme mit ausländischen Mitarbeitern sind häufig ein Problem. Beispielsweise habe ich eine Kollegin einmal gebeten, einen Patienten zu waschen und sie wollte ihn rasieren. Das ist zwar in dem Fall nichts Schlimmes und war einfach lustig, allerdings zeigte es, dass sie mich komplett missverstanden hat. Es kann ja auch mal um wichtige Dinge gehen, beispielsweise ob ein Patient Blutverdünner bekommt. Wenn da keine gute Verständigung möglich ist, wird es gefährlich. Es ist auch einfach schade, wenn man sich nicht verständigen kann, da so wertvolle Zeit draufgeht. Es gibt zwei qualifizierte Mitarbeiter, die an sich beide voll einsatzfähig wären, weil sie über die fachlichen Qualifikationen verfügen. Wenn es da rein an der Verständigung untereinander scheitert, ist das einfach Vergeudung von Ressourcen.

Vorschlag: Mein Vorschlag wäre daher, neue Mitarbeiter erst einmal eine zeitlang an die Hand zu nehmen, um ihnen die Abläufe zu zeigen. Das frisst zwar ebenfalls Zeit, die man eigentlich nicht hat, aber dafür hat man hinterher einen gut angelernten Mitarbeiter, der das Team wirklich unterstützt. Lässt man neue Mitarbeiter einfach ins Messer laufen, machen sie zwangsläufig Fehler. Außerdem haben sie dann ja gar nicht die Möglichkeit, sich zu verbessern, wenn sich niemand die Zeit dafür nimmt, es ihnen einmal richtig zu zeigen. Außerdem würden sie auf diese Weise sowohl die Sprache inklusive Fachwörter als auch alles andere schnell lernen. Ich fände es sinnvoll, neuen Mitarbeitern einmal alles richtig zu zeigen und sie dann als Unterstützung zu wissen, als sie wochenlang einfach vor sich hin arbeiten zu lassen. Auf diese Weise können sie sich ja gar nicht verbessern und es ist im Endeffekt mehr Arbeit für alle. Dann doch lieber am Anfang etwas mehr Zeit investieren. Es kommt ja kein Teamgefühl auf, wenn man nicht miteinander sprechen kann. Ich weiß nicht, ob das möglich ist, aber vielleicht wäre es eine Idee, wenn private Treffen nach der Arbeit angeboten würden. Das sind sicher keine offiziellen Sprachkurse, aber eine Sprache lernt man ja auch, indem man miteinander spricht und so könnte man sich gegenseitig etwas beibringen.

Unterschiedliche Qualifikationen führen zu Missverständnissen

Durch den Pflegemangel kommt es aktuell dazu, dass jeder eingestellt wird, was nicht unbedingt nur Vorteile hat. Ich merke ganz deutlich, dass die Kollegen unterschiedlich qualifiziert sind. Das erschwert häufig die Zusammenarbeit und es passieren Unfälle, die vermeidbar wären. Wie man das kurzfristig ändern kann, weiß ich leider nicht, denn die Pflege ist ja aktuell darauf angewiesen, jeden möglichen Mitarbeiter einzustellen. Es gilt das Motto „Hauptsache, die Patienten überleben“.
Auch hier gibt es wieder das Problem, dass man viele Dinge einfach selbst macht. Das kostet weniger Zeit, als des neuen Kollegen erstmal zu erklären. Im Grunde ist das jedoch der falsche Weg, doch man ist so zweigespalten. Es geht oft viel schneller, wenn man es selbst macht, allerdings hat man dann wenig später genau das gleiche Problem wieder.

Vorschlag: Hier habe ich leider keinen richtigen Verbesserungsvorschlag. Man müsste halt darauf achten, dass eine gewisse Qualität gewährleistet ist, aber dann fehlen Leute …

Altenheime unterbesetzt – Gefahr für Bewohner

Ein weiterer wichtiger Punkt, den ich einfach mal ansprechen muss, ist die Unterbesetzung in Altenpflegeheimen. Es passiert so oft, dass Senioren von Altenheimen zu uns ins Krankenhaus kommen, weil sie dehydriert sind. Das darf einfach nicht sein. Schließlich sind sie im Altenheim, damit sich dort jemand um sie kümmert. Oft ist es aber leider so, dass ihnen dort einfach ihr Essen und ein Getränk hingestellt wird und keiner darauf achtet, ob sie es tatsächlich trinken. Viele Senioren können das gar nicht mehr, weil sie zum Beispiel nicht mehr die Kraft dafür haben. Da müsste sich jemand neben sie setzen und ihnen das Essen anreichen. Dafür fehlt leider meist die Zeit. Die Folge ist dann, dass sie zu wenig zu trinken bekommen und dann ins Krankenhaus müssen, wo man sie einfach nur wieder aufbaut. Abends oder am nächsten Morgensind sie dann wieder zurück im Pflegeheim. Es ist dann häufig nur eine Frage der Zeit, bis man sie hier wiedersieht. Ich finde das traurig, denn es wäre so einfach zu ändern. Und es ist vermeidbar.

Vorschlag: Mein Vorschlag ist, dass man mehr darüber aufklärt, und es sich selbst immer wieder ins Gedächtnis ruft, dass man eben ein Auge auf die Patienten und Bewohner hat. Haben sie genug gegessen? Trinken sie? Wenn man sich überlegt, wieviel man selbst an einem Tag trinkt und was den Senioren möglicherweise fehlt, erkennt man schnell, wie wichtig es ist, auf solche kleinen Dinge zu achten. Im Altenheim wären Ernährungsprotokolle sicher sinnvoll, um nachzuhalten, wieviel gegessen und getrunken wird. So kann das dann einfach jeder eintragen und man behält leicht den Überblick.

Was hat sich denn in den letzten Jahren Gutes in der Pflege getan?

Auch, wenn es jetzt viele Kritikpunkte gab, hat sich in der Pflege in den letzten Jahren schon vieles zum Guten verändert. Zeichen wurden erkannt und Maßnahmen eingeleitet, um das Pflegepersonal zu unterstützen:

  1. Mitarbeiter aus dem Ausland werden geholt, um uns zu helfen. Da gibt es zwar noch viel Verbesserungspotential, aber wir sehen das und freuen uns.

  2. In einigen Krankenhäusern gibt es bereits Personal, das das Essen verteilt, das ist wertvolle Zeit, die wir damit einsparen. Bisher gibt es das hauptsächlich aus Privatstationen. Denkbar wäre es sicher für alle.

  3. Ein weiterer Punkt, den ich super finde, ist, dass viele Apotheken bereits Medikamente ins Krankenhaus liefern. Und das Beste: Sie liefern sie nicht nur, sie stellen sie auch. Die Medikamente kommen dann für die Patienten fertig gestellt hier an, mit kleinen Zettelchen dran, welche Tablette was ist, damit wir die zuordnen können. Das ist toll, weil wir dann nicht mehr stellen müssen.

  4. Außerdem gibt es in manchen Krankenhäusern einen internen Patientenbegleitdienst, der die Patienten zu Untersuchungen und Behandlungen (Funktionsabteilungen, Op usw.) begleitet. Das ist super und nimmt uns viel Arbeit ab.

  5. Auf vielen Stationen gibt es inzwischen Sekretärinnen und Versorgungsdienste, die die Schränke auffüllen. Das sind alles sehr positive Ansätze.

Fazit:

Man sieht, es gibt noch viel Verbesserungspotential. Aber es hat sich schon viel getan. Ansätze, wie Alltagshelfer, die Essen auf den Stationen verteilen, Stationssekretärinnen, die Pflegekräften die Büroarbeit weitgehend abnehmen und Patientenbegleitdienste, die Patienten zu Arztfahrten begleiten, sparen dem Pflegepersonal wichtige und wertvolle Zeit. Auch Lieferdienste, die fertig gestellte Medikamente liefern sind solch ein Schritt. Man sieht, dass bereits in Richtung Arbeitsteilung gedacht wird. Wenn das Pflegepersonal knapp ist, gilt es, dieses möglichst effektiv einzusetzen und von allen Aufgaben abzuziehen, die unnötig Arbeitszeit binden, da man diese auch outsourcen könnte.

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Romina

Romina A.

Gesundheits- und Krankenpflegerin

Romina A. liebt ihren Job und ist mit ganzem Herzen dabei. Gemeinsam mit medpool hat die dreijährig examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin deshalb auch eine Fortbildung zur Diabetesassistentin gemacht, damit sie sich noch besser und umfassender um ihre Patienten kümmern kann. Bei ihrer Tätigkeit begegnen ihr viele spannende, berührende oder auch lustige und manchmal kritische Dinge, über die sie einmal im Monat für medpool bloggt.